23.01.2024

Briefe



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ID: 8704
Geschrieben am: Freitag 25.05.1855
 

Hochverehrte Frau,

Joachim wird Ihnen wohl, wenn er es nicht vergessen, gesagt haben, wie innig dankbar ich Ihnen für Ihren theilnehmenden Brief war, wie sehr ich mich in Ihrer gütigen Theilnahme, Ihrer Freundschaft beglückt fühle. Wie so gern hätte ich Sie Selbst einmal gesprochen, aber ich fühle mich zu schwach in Bonn, so in seiner Nähe zu weilen, und Ihn nicht sehen zu dürfen! Recht sehr haben wir Alles was Sie mir schrieben erwogen, doch stellte sich auch Manches anders heraus, als es Ihnen erschien. Joachim hat Ihnen wohl Alles gesagt, und so will ich mir nur die Freiheit nehmen, Ihnen die „Gesänge der Frühe“ zu senden, die Ihnen mein Mann in höchster Verehrung gewidmet. Wohl möchte ich sie Ihnen vorspielen können, denn sie sind schwer zu spielen und schwer zu verstehen, es herrscht eine so tief poetische Stimmung darin, daß wohl nicht jeder, sonst gewandte Spieler, sie richtig aufzufassen vermöchte. Joachim sagte mir auch, daß Sie eine Copie Ihres gütigen Briefes wünschten, ich habe ihn Ihnen abgeschrieben, muß aber sehr um Ihre Nachsicht für meine Schrifft bitten. Ich habe Tage, wo mir die innere Erregung keinen ordentlichen Buchstaben zu Wege bringen läßt, so auch heute. Das Musikfest mit Allem was Freudiges und Schmerzliches es mir bringt ist Schuld an meiner Stimmung. Mit welchem Gefühl ich Seiner gedenke, der einsam und verlassen uns und so Vielen der Wonnen herrlichste in seinen Klängen schafft, brauche ich Ihnen, der gefühlvollsten Frau und Freundin nicht zu sagen. Mein Leben ist jetzt ein steter schwerer Kampf! – Wollen Sie mich Ihrer theueren Tochter herzlichst empfehlen. Schütze Sie und die Ihrigen der Himmel. Bleiben Sie ein wenig gut, die Ihnen ergeben ist in innigster Dankbarkeit und tiefster Verehrung
Ihre
Clara Schumann.

Düsseldorf d. 25 Mai 1855.

NB. Den armen Joachim mußten wir gestern Abend, als er ausstieg, gleich wieder in den Wagen hinein schieben nach Hannover. Wahrhaft rührend war seine stille Ergebung! ich mußte vielmehr meinem Herzen Luft machen im Unwillen, daß wir Ihn, den wir uns freuten zu sehen, so gleich wieder verlieren mußten. Ich hoffe er kehrt uns am Sonntag wieder!

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Arnim, Bettina von (105)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 17
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Korrespondenten in Berlin 1832 bis 1883 / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Eva Katharina Klein und Thomas Synofzik / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2015
ISBN: 978-3-86846-028-5
69-71

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Slg. Varnhagen von Ense; " Sommerhoff Robert (Enkel) in Poughkeepsie, N.Y. "2 Abschr. in D-Zsch: 1. hs. 6246-A2c, 2. mschr. von Orig.-Kopie
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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