Theuerer Joachim,
höre ich nicht bald ein Wörtchen von Ihnen? ich sehne mich so sehr darnach, habe so viel die ganze Zeit her an Sie gedacht, namentlich den 6ten mit aller Innigkeit. Ich kann Ihnen nicht sagen; wie weh mir’s Herz war, als Sie neulich gingen, und doch wieder fühlte ich mich beglückt durch das Vertrauen, das Sie mir noch in der letzten Stunde schenkten; heilig soll mir’s sein, das glauben Sie mir, lieber, theuerer Freund. Ihr Wohl liegt mir tief am Herzen – möge der Himmel Ihnen schenken, was Sie verdienen! Sie erhalten hierbei Musikalien, die Ihnen gehören, und die beiden Sachen von Ihnen schicke ich mit, damit Sie mir Ihren Namen darauf schreiben – ich habe sie dann noch lieber. Morgen reise ich nach Rostock, eine lange Tour von 7–10 Uhr Abends. In Rostock ist das Concert d. 12ten, den 17 spiele ich beim Großherzog in Schwerin, und werde wohl etwa den 18 oder 19ten nach Hannover kommen – da nehme ich mir dann meine Noten mit. Können Sie es nun machen, daß ich am 29ten bei Ihnen spiele, so ist’s mir lieb, doch muß sichs eben nur zufällig ohne Mühen Ihrerseits machen. Ich reise dann gleich direct nach Wien, und erst auf dem Rückweg nach Prag und Dresden. Johannes schreibt mir, daß er in Göttingen spielen möchte, thuen Sie es mit Ihm? Die Sonate gestern ging gut, das Quintett – ich mußte immer an Danzig denken. Es ist doch das größte Opfer für mich mit mit [sic] Einem Anderen zu spielen, so schaffen Sie mir nach der Freude das Leid. Werde ich denn noch einmal in diesem Winter mit Ihnen spielen? vielleicht wenigstens auf Ihrem Zimmer? Sind Sie schon gemüthlich daselbst? Soll ich noch recht viele ??? machen? bitte, schreiben Sie mir einmal nach Rostock, denken Sie an Ihre verwaiste Collegin. Und nun seyen Sie noch recht von Herzen gegrüßt von
Ihrer
treu ergebenen
Clara Schumann.
Leipzig d. 9 Dec. 1855
Emma grüßt Sie schönstens. Von Ihr zu scheiden wird mir auch schwer. Sie legt Ihnen eine Adresse bei.
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