23.01.2024

Briefe



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ID: 8772
Geschrieben am: Dienstag 25.12.1855
 

Düsseldorf d. 25 Dec. 1855

Wofür soll ich Ihnen, mein lieber Freund, mehr danken, für den Schiller mit dem Sie mich so freudig überrascht, oder den Brief heute, der mich so warm und innig ansprach! nehmen Sie für Beides den herzlichsten Händedruck, und sehen Sie meinen Beethoven auch ein wenig freundlich an; daß er auf sich warten ließ, war nicht meine Schuld. Sie sagten mir einmal auf der Reise, daß Sie Fidelio nicht besäßen – ich denke, Sie nehmen ihn gern für Gluck, der mich ja leider ganz im Stich gelassen. Ich bin recht betrübt, daß ich Sie diesmal nur durchreisend sehen kann, aber ich mag es mir überlegen, wie ich will, ich verliere einen ganzen Tag, wenn ich nicht den ersten Tag bis Leipzig gehe, wo ich durchaus einen Tag bleiben muß, namentlich meiner Julie wegen, die ich aus so manchen Gründen von Berlin fortnehmen möchte, und vielleicht nach Leipzig bringen. Am 1ten Januar aber muß ich in <Ber>Wien eintreffen. Ich lege Ihnen meine Adresse für dort hier bei, möchten Sie sie recht oft zu meiner Freude benutzen. Dem Paquet liegen auch zwei Papiere bei, die Johannes fand, beim Auspacken der schönen schwarz-roth-goldnen Bände, die auf meinem Schreibtische prangen, und des Mattheson, über den er ganz glücklich ist. Wir haben schon Vieles des Interressantesten darin gefunden – Aufschlüsse, nach denen ich mich oft gesehnt, namentlich die Bach’schen Sachen betreffend. Auch hat er mir heute Sonaten mit Viol von E. Bach gezeigt, die ich von Ihnen hören möchte – wie prächtig sind Diese. Ach, müßte ich nur nicht wieder fort, wie Vieles gäb’s wieder zu musicieren, kennen zu lernen ect. ect. Joh. geht am 6ten oder 7ten nach Leipzig wo er d. 10ten im Gewandhaus spielt. <> Jedenfalls sieht er Sie in Hannover. Caroline Preußer ist Braut, seit wenig Tagen mit einem Herrn Gontard aus Frankfurt a/M. Ich habe zur Reisegefährtin die Schwester der Frl. Jungé gefunden, und bin sehr froh darüber, denn Diese ist eben so ein Schatz wie die Elise. Flüchtig kennen Sie sie – ich glaube sie ist mir sehr zugethan, und kennt meinen Mann, was meinem Herzen wohl thut. Ich komme also Sonnabend d. 29ten Mittags 2 Uhr. Adieu für heute! bleiben Sie immer gut Ihrer
getreuen Freundin.
C. Sch.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
241ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6325-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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