Sonntag d 20 April 1862.
Lieber Herr Avé,
heute komme ich wieder einmal Sie um eine Freundlichkeit bittend. Ich möchte gern genau wissen, welche Opern von Gluck Johannes besitzt? könnten Sie ’mal an seiner Wohnung „hohe Fuhlentwiete“ vorbeigehen, und in seinem Schranke nachsehen? oder es auf eine geschickte Weise, ohne, daß er es merkt, von Ihm erfahren? auch möchte ich wissen, ob er das Quintett von Mozart (bei Simrock) und die ebendaselbst erschienenen Serenaden von Mozart besitzt? |2| Sie wissen, Johannes Geburtstag rückt heran – ich machte Ihm gern eine Freude! Gluck könnte ich hier wohl leicht auftreiben, daher danke ich es Ihnen sehr, wenn Sie mir hierher antworten. Ich bleibe bis zum 28ten d. M. noch hier, und ist meine Adresse:
„16, Rue d’Antin, Hôtel des états unis.“
Von Johannes haben Sie wohl gehört, daß es mir hier sehr gut geht; ich gebe am Mittwoch mein 4tes Concert – Stockhausen wird singen auch Mad. Viardot, auch wird Letztere meines Mannes Variationen f. 2 Claviere mit mir spielen.
Morgen habe ich einige |3| Musiker zu mir gebeten zu einer Brahms-Seançe, sie sollen seine Serenaden und Händel-Variationen hören! – Sagen Sie es Ihm aber ja nicht, Sie wissen, er nimmt so etwas nur unfreundlich auf. Mich drängt es aber zu sehr, mindestens den Musikern hier Respect für Ihn einzuflößen – ich halte es, von der Freundschaft abgesehen, für meine Künstlerpflicht.
Von Robert muß ich viel hier spielen, man will fast nichts Anderes hören, und täglich muß ich Vorwürfe hören, daß ich nicht genug von Ihm spiele. Nun, das ist mir lieber, als sagten sie das Gegentheil.
|4| Ich habe furchtbar zu thuen, gebe auch täglich Stunden, kurz, Sie müssen meine Eile recht entschuldigen, wieder einmal sich der liebe, nachsichtige Freund zeigen.
Grüßen Sie alle Ihre Lieben, auch von Marie, und bleiben Sie immer gut
Ihrer
treu ergeb
Clara Schumann.
Bitte, lassen Sie Johannes von meiner Absicht nichts merken – in solchen Fällen ist Verheimlichung gewiß kein Unrecht.
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