23.01.2024

Briefe



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ID: 8863
Geschrieben am: Samstag 15.11.1856
 

Kopenhagen, Sonnabend d. 15 Nov. 56.

Mein lieber Freund,

wie so heimathlich sah Ihr Gruß mich an! er traf mich, denken Sie, in trauriger Situation, den heftigsten Schmerzen an einem kranken Finger. Es soll in der Luft liegen, daß es vielen Leuten eben so geht, doch Wen kann es schlimmer treffen, als mich? ich sollte heute mein erstes Concert geben, mußte es aber gestern absagen, und sehr wahrscheinlich vergehen 8 Tage, ehe der Finger wieder gut. Das erste Concert ist aber sehr glücklich abgelaufen, Beifall gab’s genug – ich spielte aber nicht zu meiner Befriedigung. Ich hatte vorher die Schubertsche Symphonie gehört, und da alle musikalische Frische hingegeben. Sie hat mich entzückt, wie nie, vor allem das Allegretto – erinnern Sie Sich, was Robert sagt, es wäre, als schliche ein himmlischer Gast im Orchester herum. Mir war’s ganz wie himmlische Musik, das milde Dur immer wechselnd mit dem klagenden Moll! Im selben Concerte wurde auch das kleine Stück „Zigeunerleben“ von Robert, von Gade reizend instrumentirt, gesungen. Dies Stück ist schon lange ein Lieblingsstück des hiesigen Publikums, muß aber auch jedem Publikum gefallen. Mit Gade spreche ich oft von Ihnen, er hätte Sie so gern einmal hier – könnten Sie Sich einen Monat einmal entschließen hierher, Sie würden schöne Einnahme haben. Gade finde ich übel aussehend, er scheint heiter, doch sieht man, daß er Kummer durchgemacht. Mir ist es ein rührend wehmüthiger Anblick, sehe ich Ihn mit seinen lieblichen Kindern – Sie wissen, es waren Zwillinge. Er hat erst jetzt wieder angefangen zu componieren, spielte mir eine neue Symphonie – mündlich bald einmal mehr darüber. Mich hat’s traurig gemacht. Sie sind ja ein rechter Ouvertüren-Held – wüßte ich nur einen recht schönen Namen dafür, womit ich Sie gleich taufen könnte – ein Shakspeare’scher Kräfftiger müßte es sein. Ich freue mich sehr, wenn Sie so fleißig sind – es geht doch wieder, nicht wahr? Beinah vergesse ich aber den guten guten gnädigen König! wie ist er darauf gekommen daß er mir das doppelte diesmal schickte? sind das die „göttlichen Romanzen“? wäre der König nicht gar zu gut, ich könnte es für Ironie halten. Behalten Sie das Honorar an Sich, wenn es Ihnen nicht etwa lieber ist, es los zu sein. Für den Fall schicken Sie es Frl. Leser zur Aufbewahrung. Was die Concerte betrifft, so wäre mir das Concert, Sonnabend d. 3ten Januar (nach meiner Berechnung) am liebsten, da käme ich d. 2ten Januar von Leipzig. Sprechen Sie mit Platen darüber, und so bald sich etwas festsetzen läßt, bitte theilen Sie es mir mit. Ich könnte im Nothfall auch d. 20ten Dec. aber nicht so gern. Wegen des Leipziger Concerts sprach ich noch wieder mit Johannes, er meinte, er könne nichts darin finden, wenn ich im Abonnement- Concert spiele, nur kein Eigenes solle ich geben, und dies finde ich sehr richtig. Ich würde auch nicht im Neujahrsconcert spielen, nun habe ich aber das „Neujahrslied“ vom Robert zur Aufführung bewilligt, zurücknehmen kann ich es nicht, möchte auch nicht, da es die schönste Gelegenheit zur Aufführung gerade da ist; dabei sein will ich aber, denn dann nehmen sie sich doch etwas mehr zusammen. Wie sonderbar sähe es doch aus, spielte ich dann nicht. Oder meinen Sie anders? bitte, sprechen Sie einmal mit Johannes darüber – ich möchte so gern das Rechte thuen, hier streiten Herz und Vernunft in mir! – Heute über 8 Tage seyd Ihr beisammen – hätte ich Euch nicht zu lieb, ich beneidete Euch! – Mir geht es sonst hier auch sehr übel – Johannes kann Ihnen Mehreres darüber sagen – ich schreibe es ungern. Das ist wieder einmal mit schweren Opfern erkauftes Verdienst. Sollte aber mein Finger langwierig werden, so reise ich zurück. Haben Sie Gelegenheit dem Könige meinen Dank zu sagen, so thuen Sie es ja, bitte, vergessen Sie es nicht. Ihr Quartettplan gefällt mir sehr – auch das schöne fromme Adagio (Dankgebet)! ich bitte es mir dann aber für mich privatim noch einmal aus, wenn ich komme, nicht wahr? Wann würde das von Wehner beabsichtigte Concert statt finden? könnte ich es doch machen, daß ich die Symphonie dann hörte! es ist gerade meine liebste. Schreiben Sie mir einmal wieder, auch ohne Gelegenheit? ach, thuen Sie es! vielleicht von Hamburg aus! Am 22ten werdet, müßt Ihr mich als Dritten im Bunde fühlen, denkt dann an mich!
In herzlichster Liebe
Ihre
getreue Freundin
Clara Sch.

Tofte sah ich einige Male – er hat neulich Beethovens Concert gespielt, und sehr damit gefallen – Gade sagt er dankt Ihnen das –- ich glaub’s wohl. Aber den schüchternen Tofte kann ich mir gar nicht denken mit Beethov’s Concert!

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Kopenhagen
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort: Hannover
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
297-300

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6337-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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