Düsseldorf, den 5ten Nov. 1851.
Verehrter Freund.
Wir haben gestern die Ouverture zu Manfred probirt; meine alte Liebe zur Dichtung ist dadurch wieder wach geworden. Wie schön, wenn wir das gewaltige Zeugniß höchster Dichterkraft den Menschen vorführen könnten! Sie gaben mir Hoffnung dazu; haben Sie einmal wieder darüber nachgedacht?
Die Ausführbarkeit gilt mir für ausgemacht; einiges Bedenkliche wäre freilich mit dem Regisseur zu zu besprechen, so z. B., ob die Geister in der 1ten Abtheilung nicht auch dem Auge sichtbar sein müßten (wie ich glaube). Das Ganze müßte man dem Publicum nicht als Oper oder Singspiel oder Melodram, sondern als „dramatisches Gedicht mit Musik“ ankündigen – Es wäre etwas ganz Neues und Unerhörtes. Die Besetzung des Manfred selbst durch einen bedeutenden Künstler bliebe freilich die Hauptsache. Daß die Ausführung des musikalischen Theils keine großen Anstrengungen erfordert, sahen Sie vielleicht selbst in der Partitur.
Ich wollte Sie nun bitten, theurer Freund, mir Ihre Gedanken mitzutheilen, und, wenn Sie mir schreiben, daß der Manfred noch in diesem Winter in Angriff genommen werden könnte, die letzte Hand an’s Werk legen. Einstweilen sende ich Ihnen die Bearbeitung des Textes, auch das Suckow’sche Buch, das beides Sie sich vielleicht noch einmal ansehen und dem Hrn. Regisseur mittheilen.
Noch oft gedenken wir Ihres letzten Hierseins, der Frau Fürstin, Ihrer liebenswürdigen Fräulein Tochter, denen Sie unsre verehrungsvollen Empfehlungen zukommen laßen wollen, – und Ihrer, der Sie wie immer so reiches Leben um sich verbreiteten.
Vergeßen Sie auch unsrer nicht und erfreuen uns bald durch ein freundliches Wort.
Ihr
ergebener
R. Schumann.
|