23.01.2024

Briefe



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ID: 9048
Geschrieben am: Mittwoch 09.03.1859
 

Dresden d. <1> 9 März 1859

Liebe Wilhelmine,
in der Eile heute Mittag konnte ich Dir nichts weiter als das Nöthigste sagen, der Gedanke aber, Du möchtest mir zürnen, daß ich Dir heute Morgen nicht selbst schrieb, läßt mir nicht Ruhe, ich muß es Dir auseinandersetzen. – Ich war fest entschlossen zu Dir zu kommen, hatte aber so heftiges Zahnweh wieder, daß ich wirklich unfähig war zu schreiben. So fand mich Herr Friedel, der kam, um mir mitzutheilen, daß Stockhausen, (Der mir zur Liebe versprochen hatte, zur |2| Aufführung von Sängers Fluch hierher zu kommen) kein eignes Concert hier geben wolle, ausgenommen denn, mit mir zusammen. Dies konnte ich nicht abschlagen, denn der Chorgesangverein kann Ihm nur Wenig bieten, und so war ich gewissermaßen verpflichtet, und konnte es ja auch so leicht thuen, da ich ein Concert bereits allein gegeben. Ich schreibe Dir das aber so ausführlich, weil Du glauben könntest, ich hätte Dir ein Hehl daraus machen wollen, und wußte doch selbst nichts. – Nach Hin und Herüberlegen fand sich nun nur der Mittwoch d. 16 passend, weil Stockhausen sonst zu lange aufgehalten würde, ferner Montag Chorgesangverein-Concert, und in 8 Tagen |3| schon Eines von Dreischock statt findet. – Um Dich nicht eine Minute länger als nöthig unbenachrichtigt zu lassen bat ich also Friedel es Dir mitzutheilen. Das bewußte Wort hieß erst. Also rechne nur ruhig auf mich für d. 19ten (Sonnabend) – solltest Du mich nicht besser kennen, als daß Du glauben könntest, ich hielte ein gegebenes Versprechen nicht? es handelte sich hier ja nur um den Tag. Ich glaube nicht, daß Jemand ist, der inniger mit Dir empfindet, als ich, umsomehr aber wirst Du auch begreifen, wie sehr es mich drückt, daß meine eigenen schweren Pflichten und Sorgen mich hindern Dir solche Freundschaft zu erweisen, wie ich es möchte! glaube mir, habe ich es je schwer empfunden rechnen und verdienen zu müssen,|4| so ist es jetzt, wo es mir Wonne wäre, Dir, der großen unerreichten Künstlerin, eine kleine Hülfe mit meiner Kunst zu bieten. Du hast ja zuerst mein damals junges Gemüth durch Deine Genialität und hohe Kunst zu reinster innigster Begeisterung hingerissen – meinst Du, ich könnte das je vergessen?
Verzeihe, daß ich so lang geworden, und zürne nicht

Deiner alten getreuen Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Dresden
  Empfänger: Schröder-Devrient, Wilhelmine, in 3. Ehe verh. Bock, Wilhelmine (1405)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
489f.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6854-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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