23.01.2024

Briefe



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ID: 9068
Geschrieben am: Montag 01.08.1859
 

Wildbad d. 1 Aug 59.
Lieber Herr Krais,
wie freute ich mich Ihre Handschrifft einmal wieder zu sehen, noch lieber aber sähe ich Sie Beide! vielleicht geschieht es, wenn ich von hier aus noch eine kleine Tour nach der Schweiz mache. Daß Sie mir aber schreiben, Sie hätten mir im Winter gern einen Gruß gesendet, wenn Sie gewußt hätten, wohin, das war nicht Ihr Ernst, denn meinen Aufenthalt hätten Sie in jeder Musikalienhandlung erfahren, wo sie die musikal Zeitungen |2| halten. Doch glauben Sie ja nicht, daß ich irgendwie derartige Ansprüche mache! schreiben Sie mir mitunter einmal, so bereitet es mir Freude, denn Ihr und Ihrer lieben Familie Ergehen kann ich immer nur mit der herzlichsten Theilnahme verfolgen, doch verlangen thue ich es nie.
Leider konnte ich des Herrn Eichberg Wunsch nicht erfüllen, habe ich bis jetzt doch alle eignen Concerte abgeschlagen; gern wüßte ich aber die ehernen Gesetze, nach welchen ich, wie Sie meinen, handele? ich meine, man könnte mir eher das Gegentheil manchmal vorwerfen, namentlich, wenn es gilt, <Anderen> |3| anderen Künstlern beizustehen, war mein Herz nie ehern. Es thut mir recht leid, daß gerade Sie mich von dieser Seite kennen wollen! –
Für eine neue Sendung Federn danke ich sehr, ich habe mich seit einiger Zeit wieder den Gänsekielen zugewandt. Aber eine andere Bitte habe ich: ich bin mit einer blinden Dame hier, die Herrn Schiedmayer, als er von hier ging, um Besorgung einiger Bücher mit erhabener Schrifft bat, bis jetzt erhielten wir aber nichts. Da nun aber meiner Freundin sehr viel daran liegt Dieselben recht bald zu haben, so geht |4| meine Bitte an Sie, ob Sie Sich gütigst bei Herrn Schiedmayer (dem Alten) erkundigen wollen, ob er es besorgt, wenn nicht, es Selbst übernehmen wollen? die Bücher sind: die biblische Geschichte des alten Testament und die Apostelgeschichte. Sollte es von modernen Schrifftstellern (ich meine weltlichen, Goethe oder Schiller) irgend ein Werk mit solcher Schrifft geben, so wäre meine Freundin sehr glücklich, legten Sie es bei, Alles mit der Rechnung, die wir dann gleich berichtigen.
Ich bleibe hier noch nahe an drei Wochen – ich finde es so herrlich hier, trotzdem es zuweilen, für ein krankes Herz, wohl etwas melancholischen Charakters ist, namentlich |5| des Abends, oder bei bedecktem Himmel. Dann stimmt mich die Natur recht wehmüthig, ist aber doch gerade da so schön! – Die schönen Tannen schauen mir in’s Fenster, auch kann ich das Rauschen des Bachs hören – idyllisch müßte es hier zu leben sein mit glücklichem Herzen.
Sie könnten mich einmal mit Ihrer Frau hier besuchen, wie schön wäre das!
Nun, leben Sie wohl. Entschuldigen Sie die eilige Schrifft, ich habe aber auch hier, wo ich ruhen sollte, täglich so viel zu schreiben, daß ich mit der Feder immer fliegen muß.
Von ganzem Herzen
Ihre
wahrhaft erg
Cl. Schumann.
Ihrer lieben Frau das Schönste.
|6| Adresse: Bei der Wittwe Pfleiderer.
Wollen Sie gefälligst inliegenden Brief in den Briefkasten werfen. Ob die Adresse richtig, weiß ich nicht, wollen Sie sie corrigieren, wenn sie falsch wäre. Sie wissen doch Wem [sic] ich meine? Dr Ganther’s Freundin, die Musikerin.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Wildbad
  Empfänger: Krais, Friedrich Aaron (40524)
  Empfangsort: Stuttgart
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 26
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Süddeutschland / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka, Thomas Synofzik, Eva Katharina Klein und Michael Beiche / Verlag Christoph Dohr Köln / Erschienen: 2024
ISBN: 978-3-86846-051-3
554ff.

  Standort/Quelle:*) D-Sa, s: A 10971
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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