23.01.2024

Briefe



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ID: 9176
Geschrieben am: Donnerstag 21.06.1860
 

Kreuznach d. 21 Juni 1860
Freitag.
Endlich gestern ist Frl. Leser gekommen, und sind wir in unseren vier Pfählen häuslich eingerichtet, nun kann ich auch Dir, lieber Johannes, in Ruhe einige Zeilen senden. In den vergangenen Tagen befand ich mich gar nicht wohl, hatte mich wahrscheinlich auf der Reise hierher und den ersten Tag hier zu sehr mit großen Fußtouren angestrengt. Wir blieben nämlich in Goar und Goarshausen die Nacht, und kamen erst anderen Tags Abend hier an.
|2| Hier machten wir auch gleich am ersten Tage eine tüchtige Tour nach Rheingrafenstein über die Gans zurück. Stockhausen ist noch hier, gebraucht die Cur, geht <aber[?]> Morgen nach Paris, um dort Vieles zu ordnen, und kommt zum 1ten Juli zu einer strengen Cur von 6 Wochen wieder. Er fühlt das Wasser von entschieden günstiger Wirkung auf seinen Hals, und zieht das Nähere den entfernten Pyrenäen vor, weil’s auch viel weniger kostspielig.
Mein Clavier erhielt ich erst gestern, und hatte die Unannehmlichkeit, daß ich nach langen vergeblichen Versuchen |3| Dasselbe die Treppe hinaufzubringen ein kleines Zimmer parterre extra dafür miethen mußte. Gespielt habe ich noch gar nicht, überhaupt noch nichts gethan – ich faulenze gründlich, fühle das aber sehr nachtheilig auf mich wirken, und will von nun an wieder fleißig sein.
Ich hoffe sehr, Du bist’s auch und schaffst noch eine Weile ruhig in Deinem Parterre-Stübchen!
Menschen wie Du lauschen der Natur überall ihre Reize ab, und schöpfen so Nahrung für ihren Geist, das beweist mir die schöne Schilderung in Deinem Briefe. Ein schöner |4| Gewitterhimmel kann da schon eine Symphonie nach sich ziehen – wer weiß, was bereits geschehen!?
Auf Härtels Antwort bin ich recht ungeduldig, überhaupt, daß nun auch wirklich Mehreres zu gleicher Zeit von Dir erscheint, und die leichteren Sachen (Lieder, Avemaria) mit den Schwereren.
Was hörst Du von Joachim? Du hast Ihm doch jedenfalls geschrieben? ist er bei Dir so grüße Ihn.
Ich werde wohl auch die Cur gebrauchen, wenn auch nicht so streng wie Andere, weil sich das zu schlecht mit dem Arbeiten verträgt.
Nun leb wohl, lieber Johannes. Laß mich bald wieder von Dir hören. Herzlich
Deine Clara.
◊1Adresse: im kleinen Berliner Hof.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Kreuznach
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Bonn
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
700ff.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 11006-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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