23.01.2024

Briefe



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ID: 9238
Geschrieben am: Donnerstag 26.09.1861
 

Düsseldorf d. 26 Septbr 1861

Liebster Joachim,

Wie lieb war es von Ihnen, daß Sie mich so freundlich überraschten mit den herrlichen Briefen, und denken Sie, welch sonderbarer, hübscher Zufall, Johannes hatte sie mir auch zum 13ten geschenkt, aber nicht geschickt, da er sie mir selbst geben wollte - er hatte nämlich geglaubt, ich würde Ihn am 13ten in Hamburg überraschen, woran ich allerdings oft gedacht, jedoch wegen meiner vielen Obliegenheiten hier nicht ausführen konnte. Schon viel haben wir in den Briefen gelesen, und mir ist immer, als vergegenwärtige mir jedes seiner Worte Ihn selbst. Da ist Frische, Geist, Gemüth, Alles, und in welcher Einfachheit gegeben, so unbefangen frisch und fröhlich. Doch was sag ich das Ihnen, Sie wissen’s ja viel besser, als ich und wußten vorher, welche Freude Sie mir machten. In letzter Zeit habe ich recht viel innerlich gekämpft, und kam nun doch zu dem Resultat, daß ich am Dienstag nach Berlin gehe. Sie wissen, daß Marie dort jetzt einen neuen Wirkungskreis beginnt, der eben nicht leicht, und so will ich ihr denn helfen, und sie die erste Zeit dort einrichten. Das wird dem armen Mädchen doch Alles erleichtern – die Trennung an und für sich von mir wird ihr schon schwer genug – nicht minder mir. Später dann will ich Johannes in Hamburg auf 8 - 14 Tage besuchen – ich sehne mich gar so sehr nach Ihm, und, ist das auch seinerseits natürlich nicht in dem Maaße der Fall, so bittet er mich doch so lieb und dringend zu kommen, daß ich gern meinem Gefühle folge. Das würde dann aber erst in der 3ten Woche Octbr’s sein, und von dort aus will ich dann nach Bremen (vielleicht) Oldenburg, Hannover (wenn Sie mich haben wollen) ect. ect. Ferdinand will ich nun auch selbst seinem neuen Asyle in Berlin zuführen, und mit Ludwig war ich neulich in Wissen, wir blieben dort zwei Nächte, so daß mir Zeit und Muse [sic] blieb, die Leute etwas kennen zu lernen, und zu meiner großen Beruhigung zu sehen, wie Ludwig sich schnell an Beide anschloß. Uebrigens hatte ich auch noch die Freude bei näherer Prüfung des Lehrers zu sehen, daß Ludwig viel mehr weiß, als wir dachten, überhaupt hat er sich in letzter Zeit merkwürdig verändert, <und> ist viel fleißigerer [sic] und strebsamer geworden. Er bat mich neulich auf dem Wege nach Wissen, ihn doch Latein lernen zu lassen, er wolle sich alle Mühe geben dem Ferdinand noch nachzukommen. Natürlich stand ich keinen Augenblick an seinen Wunsch zu erfüllen. Ihr Ring hat ihm große Freude gemacht, den ganzen Tag besah er ihn immer, und versuchte, ob er auch gut säße. Von unserer schönen Reise sprechen wir immer, und nur eine Dummheit zu guterletzt mit den Koffern ärgert mich noch immer; es hatte Sie doch (natürlich) verstimmt, und das that mir noch leid. Wie es Ihnen geht, davon hörte ich gar nichts – so lieb Ihre paar Worte waren, so hätte ich doch so gern von Ihnen gewußt. Ist denn etwa Woldemar oder Johannes, oder Beide bei Ihnen? ich
erwarte täglich Brief von Johannes. Zu thuen habe ich noch so Tausenderlei, daß ich kein Ende bis Dienstag absehe – es muß aber werden. Ich sehe Sie wohl einige Minuten an der Bahn? ich gehe in einem Tage von hier nach Berlin.
Nun noch tausend Grüße
von
Ihrer
alt ergeb
Cl. Sch.

Eilig

Alle hier grüßen sehr. Marie sagt mir eben, es sey recht garstig, daß ich ihre Grüße in einen Sack mit all die Andren geworfen, sie wolle ihren appart ausgerichtet haben – es geschieht somit.


  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
622ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6418-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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