Basel d. 4 Aug 1862
Liebe Frau Riggenbach,
ich mag nicht in Ihrem Hause geweilt haben, ohne Ihnen ein Wort des Dankes zu senden für die freundl Aufnahme, die Sie mir bereitet. Ich kam gestern Abend, und reise ┌heute┐ um 10 Uhr nach Luzern, hoffe Abends auf Rigi anzulangen.
Ich habe in dieser einen Nacht die ganze vorigen Winter bei Ihnen verlebte Zeit wieder durchgelebt, und mir gewünscht, sie möchte noch ’mal wiederkehren! Sie können Sich denken, wie einsam es |2| jetzt hier ist, und doch war es mir ganz heimelig zu Muthe, als ich hereintrat.
Ihre Victorine5 hat mir Alles so comfortable gemacht, daß eben nur die lieben Bewohner fehlten. Ich bin im ganzen Hause herumgelaufen, in den Musiksaal natürlich zuerst, in Ihrer reizenden Laube haben wir gefrühstückt; und, Freund Kirchner haben Sie recht wie den Schatz in’s Kästlein gesetzt!
Der Wagen kommt, ich muß fort, seyen Sie mir mitsammt dem lieben Mann, Kindern, und Freunden herzlichst gegrüßt.
|3| Kirchner sagen Sie, daß ich Nachricht von Ihm auf Rigi erwarte, und somit nochmals Dank auch von meinen Töchtern, die sich eben ’mal den [sic] Münster ansehen.
Getreu ergeben
Ihre
Clara Schumann.
Entschuldigen Sie die kritzliche Schrifft, ich kann aber nicht mit Stahlfedern schreiben, und habe eben keine andere.
"...Ich habe in dieser einen Nacht die ganze vorigen Winter bei Ihnen verlebte Zeit wieder durchgelebt, und mir gewünscht, sie möchte noch ’mal wiederkehren! ... Ich bin im ganzen Hause herumgelaufen, in den Musiksaal natürlich zuerst ... Freund Kirchner haben Sie recht wie den Schatz in’s Kästlein gesetzt!..."
Kat. Erasmushaus 844: April 1987, S. 54, Los 243 (gekürzt)
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