23.01.2024

Briefe



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ID: 9312
Geschrieben am: Sonntag 27.04.1862
 

Paris d. 2<6>7. April 1862. Sonntag.

Lieber Joachim,

Ueberbringer Dieses, Herr Rose, hat ein so sehnendes Verlangen, Sie mindestens einmal zu sprechen, daß er sich entschlossen, auf einige Tage nach London zu gehen, und, da es jetzt nicht sein kann, wie er sehr wohl einsieht, über später mit Ihnen zu sprechen. Ich brauche Sie nicht zu bitten Ihn freundlich aufzunehmen, Sie thuen es schon ohnedem. Ich habe auf <> vieles Zureden diese Woche noch ein 4tes Concert gegeben, das sehr schön ausgefallen, Stockhausen sang wundervoll, u. Mad. Viardot spielte reizend Roberts Var. f. 2 Claviere mit mir. Was mir aber überhaupt hier die größte Freude gemacht, ist, daß ich den Musikern, d. h. den Besten hier, Respect für Johannes eingeflößt habe. Die Meisten sprachen geringschätzend von Ihm, sie kannten entweder Nichts, und nur die Signale, oder ein und die andre Sonate, die sie nicht verstanden. Sie können denken, daß mich das quälte, und so lud ich einige Musiker neulich zu mir, um Ihnen [sic] nur Brahms vorzuspielen. Erst hielt es etwas schwer <i>Ihre Theilnahme zu wecken, jedoch mit dem Sextett erwärmten sie, und schließlich nach den Variationen waren sie Feuer und Flamme, und Szarvady besonders bat, ich möchte sie doch noch einmal Mehreren vorspielen; ich habe nun heute eine kleine Soirée bei mir, nur Künstler, erst Roberts Trio in D moll, dann Joh. Var. und hoffentlich singt dann Stockhausen auch einige Lieder von Johannes. Im deutschen Singverein wollen sie sich auch die Harfenlieder anschaffen. Das hat mich wirklich Tage lang froh gestimmt, und umsomehr, als es bei den großen Anstrengungen, und der so furchtbar eingetheilten Zeit, recht schwer hielt, daß ich die Sache zu Stande brachte – ich fand nicht ’mal Zeit die Var. zu studieren. Sie haben neulich Joh. Sextett gespielt, was mich sehr freute zu hören. Heller schreibt darüber entzückt an Damke’s. So haben wir denn Jedes unser Theil gethan. Sie wissen, ich dränge Niemandem gern Sachen von Denen auf, die mir theuer sind, ich konnte aber hier nicht anders, es lag mir Tage lang so schwer auf dem Herzen! – Ich muß Ihnen, lieber Joachim, noch mit einem Anliegen kommen, entschuldigen Sie es, ich kann aber nicht anders, als es Ihnen wenigstens sagen. Eine Frau Leupold, Schwiegermutter des jungen Buxton, eine kurze Zeit in Düsseld. meine Schülerin, bittet mich dringend bei Ihnen ein gutes Wort für sie einzulegen, daß Sie in einer Matinée von Ihr spielen möchten. Die Frau giebt Unterricht in London, und hat sich seit 6–8 Jahren sehr mühsam mit ihren Kindern durchgeholfen, überhaupt viel Schicksale gehabt, und insofern verdient sie gewiß sehr Ihres Beistandes, künstlerisch freilich weniger. Thuen Sie nun, was Sie denken – es versteht sich von selbst, daß es mir eine herzliche Freude wäre, würde der Frau durch Sie eine gute Einnahme, aber bestimmen darf ich Sie nicht, da sie eben künstlerisch keinen Anspruch machen kann. Wollen Sie sonst von mir wissen, so fragen Sie Rose; er soll mir schreiben, dann tragen Sie Ihm doch auch für mich auf – ich habe Ihn gebeten mir recht viel von Ihnen zu erzählen. In wahrer Hetze schreibe ich, darum so schlecht – Nachsicht bitte.
Ich gehe Uebermorgen nach Brüssel, spiele dort in einer Soiree bei der Fürstin Orloff, die Viardot geht auch mit. Ende der Woche hoffe ich in Düsseldorf und dann 8 Tage darauf in Berlin zu sein.
Adieu denn, lieber Freund. Alles Gute Ihnen von Ihrer
treuen
Cl. Sch.

Marie grüßt schönstens.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Paris
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
672ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6436-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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