Dresden, den 21sten Juli 1849.
Verehrter Freund,
Mir fiel gestern ein, wäre nicht die Göthefeier, die nächsten Monat gewiß auch in Weimar begangen wird, eine schöne Gelegenheit, meine Scene aus Faust aufzuführen – zum erstenmal öffentlich und zu solcher Feier, – der Gedanke hat für mich etwas Beglückendes. Noch mehr, mein Vorhaben, von dem ich Ihnen schon schrieb, mehrere Scenen aus dem 1sten Theil des Faust noch zu componiren, haben mir freundliche Geister bereits erfüllen helfen; es sind dazugekommen die Scene im Garten, und die Scene im Dom mit dem Dies irae. Das Ganze (mit der Schlußszene aus Theil II) würde höchstens eine Stunde dauern. Zur Schlußszene müßte womöglich (etwa bei den Worten: das Ewig Weibliche zieht uns hinan) im Schlußtableau: Faust’s und Gretchen Vereinigung vor der Mater gloriosa, arrangirt werden. Doch das sind alles Specialia.
Wollten Sie vor allem mir melden, wie es mit dem Faust in Weimar steht, ob der Faust noch eine Stelle finden kann, und ob Sie die Vermittlung zwischen der Comité und mir übernehmen wollen, so wäre der nächste Zweck der Zeilen erfüllt.
Meine Entscheidung soll übrigens dieser Brief noch nicht aussprechen d. h. ich weiß noch nicht gewiß, ob ich selbst in der Zeit vor 28sten August von Leipzig fort kann, da um diese Zeit dort meine Genoveva gegeben werden soll. Dies würde ich dann arrangiren, sobald ich die Gewißheit hätte, daß mein Vorschlag bei Ihnen und in Weimar Anklang gefunden.
Sei Ihnen denn die Idee persönlich empfohlen; mir wenigstens will es schön und passend dünken, wenn hundert Jahre nachdem das Wunder
kind geboren zum erstenmal und zwar in Weimar sein „das Ewig Weibliche“ aus hundert und mehr Kehlen dort erschölle.
Herzlich grüßend
der Ihrige
R. Schumann.
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