23.01.2024

Briefe



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ID: 9430
Geschrieben am: Montag 11.01.1864
 

Düsseldorf d. 11 Jan: 1864.

Ich eile Ihnen, lieber Herr Sänger, zu sagen, daß, ob- gleich ich lieber den Faust recht ruhig mir nach der Fantasie anhörte, und überhaupt ungern am Schluß spiele wo ich geistig doch von der Musik schon abgespannt bin, ich dennoch einsehe, daß Ihr Grund, früher zu singen, gewichtiger ist, als meiner, früher zu spielen, also thuen Sie, wie es Ihnen am liebsten. Es ist möglich, daß ich am 17ten in Hannover bei Hofe spiele, dann kann ich freilich erst am 18ten um 3 Uhr in Hamburg sein, jedoch ist das auch noch früh genug, um in die Probe zu können, die sicherlich bis 4 Uhr dauert – nicht wahr? um 1 Uhr 35 M. bin ich in Hamburg, also doch spätestens um 3 Uhr im Hôtel; dort nehme ich eine Tasse Bouillon und kann gut bis 3 1/2 Uhr in der Probe sein. Stimmen und Partitur zur Fantasie haben Sie doch? die Klavierstimme habe ich, aber nichts weiter. Sollten Sie das Nöthige nicht haben, so könnten Sie an Hiller deshalb thelegraphieren – ich bin morgen zur 9ten in Cöln und könnte dann Alles mitnehmen. Bestellen Sie mir. wenn möglich im Hôtel die Zimmer im zweiten Stock, welche ich früher gehabt, die waren mir immer sehr angenehm. Sie können ja Ihr zweites Zimmer gar nicht entbehren. Bitte, sagen Sie Frl: Wagner, daß ich ihren Brief erhalten. Dabei fällt mir aber ein, haben Sie denn Ihrem Vereine nicht den Grund mitgetheilt, warum ich für den 22ten absagte? Frl: Wagner schrieb mir einen furchtbaren Klagebrief und, warum ich das gethan, und, ob denn keine Bitten hülfen – so gehts den ganzen Brief! das ist doch ärgerlich! ich habe doch wahrhaftig meinen guten Willen gezeigt, und, wenn Sie das Concert verschieben, so ist es doch nicht meine Schuld wenn ich nachher nicht kann. Das hätten Sie aber Ihren Herren und Damen sagen sollen, denn so kommt man noch in den Ruf einer Caprice! Uebrigens hatte ich Ihnen schon den anderen Tag vorgeschlagen, und sie wirds gehört haben während Ihre Depeche unterwegs war. Schreibe ich nicht wieder, so komme ich also Montag. Adieu, lieber Stockhausen. Auf baldiges Wiedersehen und Hören!
Ihre
Clara Schumann

Ist Rudorff da, so grüßen Sie ihn!

P.S. In den Signalen soll ja eine infame Kritik über Faust sein? ich höre viel darüber schimpfen, doch berührt mich das wenig – das Werk steht zu hoch über alledem! –
Verzeihung für meinen
ersten halben Bogen, den ich aus
Versehen nahm.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Stockhausen, Julius (1547)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
617ff.

  Standort/Quelle:*) D-F, s: Nachl. Stockhausen 9
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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