Baden-Baden d. 25 Juni 1864.
Nun sind Sie, mein lieber Freund, schon ’mal wieder so weit, daß man seinen Geburtstaggruß schon drei Tage früher absenden muß, soll er Sie zur rechten Zeit erreichen. Wie innig leid thut es mir, daß Sie den schönen Tag diesmal nicht mit Ihrer lieben Ursi feyern, und, wer weiß wie ungemüthlich, inmitten all des Getreibes in London verleben! ich mag aber doch nicht verfehlen mich schon am Morgen bei Ihnen einzustellen; und gedächten Sie meiner auch nur diesen Moment, so wissen Sie doch, daß die Gedanken der alten Freundin in alter Treue, und mit tausend guten Wünschen bei Ihnen weilen. Wie mag es Ihnen gehen? höre ich ’mal von Ihnen, wenn Sie wieder in Deutschland in Ruhe sind? sagen Sie mir dann auch Ihr Urtheil über Ihr neues Concert – gewiß ist es das richtigste. Haben Sie es in London ’mal gespielt? hat Davidoff mit Ihnen gespielt? hat er Ihnen auch meine Zeilen gebracht? Hier sitze ich nun wieder seit 3 Wochen, und was ich mir an äußerem Comfort wünschen kann, das habe ich, doch wieder empfinde ich, wie immer zu Haus am bittersten, das Alleinsein – erst jetzt, wo Ihnen der Himmel das Höchste, eine Gefährtin in Freud und Leid, geschenkt, werden Sie die Schwere solchen Verlustes ganz begreifen, und mir nicht zürnen, wenn ich dem bekümmerten Herzen ’mal Luft mache. – Es ist mir immer recht hart, daß Sie mich noch nicht hier besucht haben, und daß nun auch so gar keine Hoffnung dazu ist. Ich wage es aber auch gar nicht Sie zu bitten, Ihren Rückweg über Baden zu machen, Sie würden dies, und mit Recht, unbegreiflich finden, nach so langer Trennung von Ihrer Ursi. So muß ich denn auf nächstes Jahr hoffen! – Einige Besuche habe ich schon gehabt, Stockhausen mit Frau und Kirchner, welche einige Tage hier waren. Stockhausens Frau ist uns Allen recht lieb geworden, sie ist gar nicht hübsch aber anmuthig, natürlich, fein gebildet, und scheint ihn sehr lieb zu haben. Er war so liebenswürdig wie nie, machte alles mit, sang, wenn man es wollte, und schien so innerlich ruhig und beglückt, daß es mir den wohlthuendsten Eindruck machte. Ich hoffe sein inneres Leben wird sich jetzt zu einem mehr harmonischen gestalten – mir scheint die Frau ganz geschaffen zu solchem Einfluß. Gott gebe es. Herrmann Grimm besuchte mich gestern, und frug viel nach Ihnen; ich sagte ihm, daß Sie nach Thüringen wollen, da meinte er, dann sollten Sie nur ja nach Eisenach gehen – man entbehrte an den anderen Orten gar zu sehr allem Comforts, die Gasthäuser überall miserabel. Gisel ist auch mit hier, ich sah sie aber noch nicht, denn sie ist so leidend, daß es schwer ist die Zeit herauszufinden, wo man sie sehen und sprechen darf. Sie gehen auf eine Woche nach Badenweiler wo die alte Frau Grimm sich mit Auguste sehr wohl befindet, dann gehen sie auf den Rigi. Er schien so weit munter aber doch etwas gedrückt von seinem traurigen Geschick. Ich bat Ihre liebe Frau Sie an meine Schwester Clementine wegen zuweiligen Billets zu erinnern – ich weiß nicht, ob sie es gethan. Erstere neulich in Hannover zu sehen, war mir rechte Freude, ihr aber, fürchte ich, habe ich durch meinen Besuch mehr Last als Freude bereitet. Grüßen Sie sie doch recht herzlich, und erquicken Sie mich <> bald ’mal mit einigen freundlichen Worten.
Adieu, lieber theuerer Freund. Der Himmel erhalte Ihnen Ihr Glück
und schenke Ihnen neues dazu.
Herzlichst Ihre
Cl. Schumann.
Die Glückwünsche der drei Mädchen sollen nicht fehlen.
Johannes ist seit 8 Tagen wieder in Hamburg.