Leipzig d. 2<2>1ten März 1865
Liebster Joachim,
so ungern ich Sie drängen möchte, so drängt mich doch die Zeit und die Unruhe was nächstens werden wird, Sie zu bitten mir doch recht bald eine Nachricht zu geben wie es mit Engagements in England steht? ob dazu überhaupt Aussicht ist? Ich muß doch bald meine ganzen Anordnungen danach treffen. Ich habe jetzt leider an den Folgen meines Unfalls zu laboriren. Wien mußte ich aufgeben und mit Concerten hier herum paßt es auch immer schlecht, kurz, ich sehe mich durch den großen Verlust, den ich gehabt, verpflichtet den Plan mit England noch im Auge zu behalten, jedoch bin ich weit davon entfernt etwas erzwingen zu wollen und frage daher auch nur bei Ihnen an ob es günstig ist oder nicht? aber noch einmal die Bitte: nur recht bald die Antwort. Mit dem Spielen geht es immer besser, und wird es nur erst warm, dann werden sich auch die rheumatischen Schmerzen bald verziehen. Daß es Ihnen gut geht, erfuhr ich zu meiner Freude und daß Ihre Frau mit Julie nach Kiel gegangen. Wenn Sie mir schreiben, dann bitte nur ein Wort wie es Ihnen geht. Mit den herzlichsten Grüßen und Wünschen, auch von Marien
Ihre
getreue
Clara Schumann.
Adresse: Frl. Rosalie Leser Düsseldorf!
P. S. Das ist doch ein merkwürdiger Zufall! eben hatte ich diesen Brief geschlossen, da kommt der Ihrige und ich denke ich will das als ein gutes Omen nehmen, und mich gleich entschließen, habe aber die Bitte an Sie daß Sie mir womöglich noch in der dritten und vierten Woche Aprils einige Engagements verschaffen. Ich bin von Ostern an frei und wüßte wirklich nicht wo ich die 14 Tage bis Ende April zubringen sollte! Nach Paris käme ich natürlich schrecklich gern, wenn Sie dort spielen, aber das kann ich nicht, denn das Hotelleben würde mir zu viel kosten. – also nun bitte ich, ersuchen Sie Herrn Chapels, daß er meine Ankunft bekannt macht mit dem Zusatze, daß ich von Mitte April bis Ende Mai in London zu bleiben gedenke. Ich nehme daher von der neuen Philharmonie das Engagement für den 10ten Mai an, und überlasse Ihnen andre, die sich bieten sollten, für mich abzuschließen. Muß man bei der Annonce nicht eine Adresse angeben? und nun noch eine Frage, ganz im Vertrauen: muß ich auch diesmal die Engagements für das Honorar von 10 Guinea’n annehmen? Könnte ich nicht 15 verlangen? es ist doch gar zu wenig. Sprechen Sie, wenn Sie es für gut halten im Vertrauen mit Chapel darüber. Daß ich Ihnen zu Ihren vielen Beschäftigungen noch die Mühen für mich aufbürden muß, würde mir sehr peinlich sein, wüßte ich nicht wie gern Sie mir immer wieder neue Freundschaftsbeweise geben. – Sie und Ihre liebe Frau dort zu treffen ist eine große Freude für uns und wird uns manchmal vergessen lassen, daß wir im fremden Lande sind. Ich muß Sie nun doch bitten mir recht bald wieder ein Wort zu sagen, ob alles in Ordnung ist, ob meine Ankunft angekündigt ist und in welcher Form? Mit Empfang Ihres Briefs erhielt ich zugleich einen andern von Prag wonach es sich entschied, daß mein Absteigequartier für die Zeit bis zum 8ten April Dresden bei Prof. Hübner, Bürgerwiese 23 ist, wohin ich zu adressiren bitte. – Wie schön, daß wir jetzt sagen können: „Auf baldiges Wiedersehn“. Sollten Sie nicht Zeit finden mir zu schreiben, so thäte es vielleicht Ihr Herr Bruder. – Von H. Pinelli habe ich noch nichts gehört u. gesehen. Er ist wohl noch gar nicht hier.
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