23.01.2024

Briefe



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ID: 9604
Geschrieben am: Montag 07.05.1866
 

Baden d. 7 Mai 1866
Johannes Geburtstag.

Liebster Joachim, recht betrübt bin, daß Sie gar nicht mehr an mich denken – wie lange weiß ich nichts von Ihnen und Ihrer Frau, und bat sie doch in meinem letzten Brief aus Wien vom 23ten März so dringend mir nach Ihrer Rückkehr ein Wort wissen zu lassen. Alles was ich weiß ist, daß Ihre Frau das Bett verlassen – wie gern wüßte ich Besseres, und was Ihre Sommerpläne? ich hörte, Sie wollten irgendwohin an den Rhein? dann, Sie hätten Ihre Stellung in Hannov. wieder angenommen? es ist doch gar zu betrübt, wenn man von seinen liebsten Freunden nur durch Gerüchte hört! Heute muß ich mich noch einer Schuld gegen Sie bekennen. Sie haben wirklich Ihre Briefe meines Mannes nicht zurückerhalten – ich hatte sie, um sie Ihnen bei Gelegenheit Ihres Hierseins vorigen Sommer sicher zurück geben zu können in mein Documenten-Kästchen versiegelt bewahrt und fand sie heute, als ich Dasselbe durch - >sah darin. Unbegreiflich ist es mir, daß, als Sie vorigen Sommer sagten, Sie hätten sie nicht zurückerhalten, es mir nicht einfiel! entschuldigen Sie es damit, daß ich wirklich oft recht viel im Kopfe habe, auch wohl mein Gedächtniß etwas abnimmt! – Die Briefe folgen hierbei – die Sache ist mir eine neue Lehre, daß ich künftig noch genauer als bisher Alles notiere. Seyen Sie mir nicht bös, daß ich’s vorigen Sommer gegen Sie war, als Sie sagten, Sie hätten sie nicht erhalten. Ich bin mit Marie seit 4 Tagen wieder hier, und bedauere Jeden der das Frühjahr hier nicht genießen kann – es ist zu wundervoll. Leider muß ich in 8 Tagen nach Düsseldorf, obgleich ich mich unendlich freue die Lind noch ’mal zu hören – wer weiß, ob nicht zum letzten Male. Auch nach Stockhausens Gesang sehnt sich mein Herz, ich hörte ihn nicht mehr seit 5/4 Jahren. Schließlich die Hauptfrage: wann werden wir uns wiedersehen? Wenn Sie Beide nicht ganz hartherzig gegen uns geworden, dann sagen Sie bald ein paar Worte von Sich und den Kindern
Ihrer
Clara Sch.

Ich gehe gleich nach dem Musikfest hierher zurück, Marie bleibt hier. Adr. Baden-Baden, Lichtenthal 14.
Marie grüßt – sie ist mit mir betrübt über Ihr Schweigen.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
886ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6497-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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