Baden d. 18 Septbr 1866.
Lieber Stockhausen,
meinen schönsten Dank für den Geburtstag-Gruß – ein Gruß freut Einen ja immer, wenn er auch etwas später kommt. Was sollte aber der Anfang Ihrer Depesche heißen? war es Versehen vom Telegraphisten? Ich habe „recht herzlichen“ herausgelesen, die Andren vermuthen eine fremde Sprache! – Von Frl: Leser hörte ich, daß Sie sie neulich überrascht. Also eine Orgel bauen Sie? Das ist ja sehr schön! – Ueberhaupt, was haben Sie Alles vor! ich hörte neulich wieder, Sie dächten ernstlich an’s Theater? Von hier ist im Ganzen wenig zu sagen, wir frieren daß wir oft klappern, und wollen doch nicht gern schon einheizen. Wenns so bleibt, so machen wir uns bald fort, denn man erkältet sich zu sehr; dabei gießt es täglich, und ist dann ´mal ein Sonnenblick, so kann man doch nicht in den Wald, denn die Wege sind häufig nicht zu passieren. Johannes ist seit 4 Wochen hier, und hat ein wunderbares „Deutsches Requiem“ geschrieben, das mir das Bedeutendste scheint, das er geschrieben. Wir erwarten nächsten Monat Joachim für einige Tage hier auf der Durchreise nach Basel. Der fängt seinen Winterzug schon bald an, ich erst im Nov:, d. h. am 1ten, wo ich in Leipzig spiele. Wahrscheinlich gehe ich im Januar mit Joachim in einige englische Provinzstädte, wozu er bereits engagirt ist, ich aber noch deshalb mit Chappell in Correspondenz stehe allerlei Bedingungen wegen, die ich dabei stelle. Friedchen ist seit 8 Tagen bei uns – das wissen Sie. Ihrem Bruder Franz sagen Sie meinen freundlichen Dank für seinen Brief neulich, und daß Frl. Kestner wöchentlich einige Male bei mir spielt. Sie ist ein liebes musikalisch höchst begabtes Mädchen, nur schade, daß sie so sehr viel spricht – ich werde immer ganz elend davon, wie mich das denn überhaupt sehr anstrengt, da ich nicht das Talent habe, Vieles nur an meinem Ohre vorüberstreichen zu lassen, sondern immer aufmerksam zuhören muß.
Nun Adieu lieber Stockhausen, schönste Grüße an Weib und Kinder
von
Ihrer
Clara Schumann.
An Avé meinen Gruß, bitte.
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