23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 9662
Geschrieben am: Montag 29.10.1866
 

Baden-Baden d. 29ten October 1866

Lieber Stockhausen,
meine Depesche von Karlsruhe haben Sie erhalten, und daraus ersehen, daß ich es nicht einrichten kann nach Hamburg zu kommen; ich müßte von hier hin, und gleich wieder zurück nach Frankfurth. Hier fand ich nun Ihren Brief vor, muß Ihnen aber gestehen, daß ich Ihre Aeußerung das philh. Concert betreffend nicht recht verstanden habe. Ich nehme es der philh. Gesellschaft allerdings nicht uebel, wenn sie mich nicht zum Spielen auffordert, denn ich weiß recht gut, daß sie mit Anfragen überhäuft werden, aber ohne Einladung des Comitee werde ich doch nie dort spielen? das ist auch noch nie geschehen. Bisher haben Sie oder Avé mich immer im Namen des Comitee eingeladen gehabt, wenn ich spielte. Wer eigentlich hat mich jetzt zum Spiel aufgefordert? ist das Peri-Concert kein Philharmonisches? Daß ich die Peri nicht hören kann thut mir sehr leid, obgleich Frl: Rohn als Peri mich sehr abkühlt, und, daß Sie es nicht dirigieren, vor allem, denn Boie mag es noch so ordentlich machen, so fehlt ihm doch die Inspiration die gerade dieses Werk beansprucht, soll es wirken, wie es muß. Die Wärme, die vom Dirigenten ausgeht, giebt ja dem Ganzen erst den gehörigen Schwung. Die Chorfantasie vorher aber könnte ich mir gar nicht denken! nach dem jubelnden Schlusse dieses Stückes auf einmal der leise dämmernde Anfang der Peri, das paßt nach meinem Gefühle gar nicht, überhaupt Nichts zur Peri, sie ist ja lang genug, zwei und eine halbe Stunde mit den Pausen, wurde noch nie mit einem anderen Werke zusammen gegeben, wenn man sie ganz aufführte. Warum muß denn das Publikum todtmüde von Musik aus dem Saale gehen? Die Länge der Peri ist gerade die rechte für das Vermögen der Zuhörer. Zum 23ten kann ich leider auch nicht kommen, da spiele ich gerade in Oldenburg. Hätte ich das nur früher gewußt so hätte ich es in Oldenburg anders einrichten können, doch nun geht das nicht mehr, es ist eben Alles, Eines in das Andre greifend, geordnet. So werde ich denn wohl diesen Winter nicht in Hamburg musicieren, und, was mir am leidesten, Nichts von Ihnen hören! Im Januar gehe ich schon nach England und kehre wohl erst im Mai zurück. Bitte, sagen Sie Friedchen, daß ich in Leipzig wegen der Cholera abgeschrieben hatte, und nun bis zum 6ten hier bleibe. Es ist möglich, daß ich Sie auf einige Stunden sehe, indem ich am 29ten von Oldenburg sehr wahrscheinlich nach Schwerin gehe, wo ich wohl am 4ten Dec: spielen werde, jedoch ist es noch nicht ganz bestimmt, da ich noch von der Wahl eines Tages der Leipziger Direction (der ich für mein Außenbleiben jetzt ein paar andere Tage zur Disposition stellte) abhänge. Sie müssen mir mein Chaos heute verzeihen, ich habe aber so schrecklich Vielerlei zu thun daß ich wieder ´mal ganz dumm im Kopf bin.
Grüßen Sie Ihre liebe Frau herzlich, und seyen Sie selbst aufs schönste von uns Allen gegrüßt.

Ihre
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Stockhausen, Julius (1547)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
656 - 659

  Standort/Quelle:*) D-F, s: Nachl. Stockhausen 18
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.