23.01.2024

Briefe



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ID: 9665
Geschrieben am: Mittwoch 15.05.1867
 

Karlsbad d. 15 Mai 1867.
Lieber Freund,
als ich Ihre Handschrift sah freute ich mich, daß Ihnen selbst doch endlich die Pause zu lang geworden – ich täuschte mich nun freilich andererseits mir zu sagen, daß Ihre Zeilen doch ein neuer Freundschaftsbeweis sind, für den ich Ihnen von ganzem Herzen danke.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie die Geschichte mit Ludwig mich bekümmert, und wie ich mir gar keinen Rath weiß, was zu thuen! an Ihren Vorschlag mit Leipzig hatte ich schon gedacht, und werde über dort reisen, um in Dieser Angelegenheit vielleicht etwas zu machen. Aber in keinem Falle darf Ludwig etwas davon wissen, er muß durchaus ’mal eine Weile auf sich selbst angewiesen sein, damit er zur Erkenntniß kommt. Ich hoffe Herr Knittel wird ihn doch nicht sogleich aus dem Geschäfte schicken – ich habe Ludwig geschrieben, daß er nicht daran denken solle, nach Baden kommen zu wollen, wenn Herr Knittel ihn nicht behielte, und in Bezug auf eine andere Stellung habe ich ihm gesagt, daß er sich, da er einmal, ohne mich zu fragen, Herrn Knittel so quasi gekündigt, nun auch selbst eine andere Stellung suchen solle, er habe ja gemeint, dies sey so leicht.
Bitte, sprechen Sie mit Herrn Knittel, [und sagen ihm das.] Ich lasse ihn sehr bitten, sich dem Ludwig gegenüber nichts merken zu lassen, als ob ich mich jetzt darum kümmere, es ist wirklich das einzige Mittel, ihm die Augen zu öffnen. Aber, bitten Sie ihn auch, daß er Ludwig bis Herbst behält, wenn ich nicht etwa in Leipzig früher schon einen Platz finde, was ich aber nicht glaube, so etwas will doch Zeit haben.
In welch qualvolle Situationen versetzt der Junge mich fortwährend! welch eine Lage, immer und immer die Leute um Nachsicht bitten zu müssen!
Ich komme nicht vor Anfang Juni nach Leipzig, und schriftlich lässt sich das nicht abmachen, weil ich ja vor allem Ludwigs eigenthümliches Wesen erst erklären muß, und Aufschluß geben über seinen Abgang mitten aus der Lehrzeit.
Sie können denken wie solche Aufregungen schlecht zu meiner Cur passen! Die Sorgen aller Art (unter uns gesagt, Eugenie kann auch nicht bei Breymanns bleiben – mündlich mehr darüber) liegen jetzt wieder gar zu schwer auf mir! –
Daß es Ihnen den Winter gar nicht gut ergangen, hat mich innig betrübt, und daß es allerlei Gemüthsbewegungen waren, errieth ich durch zufällige Aeußerungen zuweilen in anderen Briefen – nun, in Baden werden Sie mir selbst Alles erzählen, und, kann ich auch nicht helfen, so kann ich doch mitfühlen. Den Männern liegt daran freilich wenig! –
Leben Sie wohl und nehmen Sie noch einen dankenden Händedruck von Ihrer altergebenen
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Karlsbad
  Empfänger: Levi, Hermann (941)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 5
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Franz Brendel, Hermann Levi, Franz Liszt, Richard Pohl und Richard Wagner / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik, Axel Schröter und Klaus Döge / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2014
ISBN: 978-3-86846-016-2
510f.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6514-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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