23.01.2024

Briefe



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ID: 9677
Geschrieben am: Montag 24.12.1866
 

Düsseldorf d. 24 Dec. 1866

Liebster Joachim,

Sie sollten meinen Gruß zum Willkomm wieder in Deutschland zu Hause finden, aber die letzten Wochen waren solche Hetz-Wochen, wie Sie sie ja auch kennen, wo man zu dem, was Einem das Liebste erst recht nicht kommt, denn dazu braucht man Muse, und ist gern mit ganzer Seele dabei. Gedacht habe ich viel an Sie, und mich innigst gefreut, daß es Ihnen so gut ging, wie es übrigens gar nicht anders zu erwarten stand. Wie oft wünschte ich mich nach Paris, und welch eine Freude wäre es mir gewesen dort einmal mit Ihnen spielen zu können! Von Hiller hörte ich, zu meiner großen Betrübniß, daß Sie Tags zuvor, ehe ich nach Cöln kam, durchgereist sind, und nun auch gar nicht hierher kommen, eine Hoffnung, die ich immer mit mir herum getragen hatte. Rudorff und Bruch wollten dann herüber kommen, und wir hätten ’mal recht gemüthlich einen Tag verlebt. Dann, mit wie viel leichterm Herzen wäre ich nach England gereist mit Ihnen zuammen! doch, was hilft das Klagen, ich sehe wohl daß Sie nicht anders konnten. Ich hoffe sehr, bald ’mal ein Wort von Ihnen zu hören, sehne mich wahrhaft darnach; freilich, Zeit bleibt Ihnen wenig, das weiß ich. Sie müssen ja schon am 1ten Jan. wieder in Leipzig spielen; es freut mich sehr, daß die liebe Ursi da auch singt, und auch in Frankfurth. Wir wollten sie neulich in Hannover besuchen, und fanden sie leider nicht, aber Herrmännchen, das reizende Bübchen, sahen wir. Wie freue ich mich für Sie, daß Sie endlich ’mal zu Haus sind, wäre es nur nicht so gar kurz! – Von mir giebt es wenig zu erzählen, es ist mir überall gut gegangen, und ganz besonders auch wieder in Leipzig, wo ich u. A. Johannes Horntrio spielte, das sehr schön ging – wir hatten es tüchtig studiert, jedoch bleiben die Leipziger Kritiker leider immer so dumm, <> weit dümmer als das Publikum, und dazu noch boshaft! – Für Ihre lieben Zeilen aus Basel schulde ich Ihnen noch den Dank, aber, nach Paris mochte ich nicht schreiben, denn es ist mir so ein unbehaglicher Gedanke, daß Sie in solchem Troubel kaum Zeit finden einen Brief zu lesen, und, weiß ich auch daß in meinen Briefen gar wenig Inhalt, so weiß ich doch auch, wie viel liebe Gedanken zwischen den Zeilen stehen, die Sie denn doch <sich> herausfühlen, wenn Sie in Ruhe lesen. Sie und die liebe Frau sollten meinen Gruß heute Abend haben, aber gestern in Cöln war es unmöglich zu schreiben, eben so die Tage zuvor – ich habe nicht ’mal all meinen Kindern schreiben können. Ich denke mir Sie recht heiter heute – der Himmel erhalte Ihnen all Ihr Glück. In treuer Liebe Ihnen Beiden die Hand drückend Ihre alte Cl. Sch.

Marie sendet das Herzlichste für Sie Beide, und die Kleinen. Frl.
Leser und Junge grüßen schönstens.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
920ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6507-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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