Baden-Baden d. 4 Aug 1867.
Lieber Joachim,
daß ich endlich ’mal wieder Ihre lieben Schrifftzüge sah, war mir eine Freude, wenngleich keine ungetrübte denn nur mit Wehmuth konnte ich der Zeit gedenken die zwischen Ihren letzten und diesen Zeilen lag. Fast 4 Monate wußte ich von Ihnen nur, was ich zufällig erfuhr, und das war mir hart. Nun, dennoch danke ich Ihnen für dies endliche Lebenszeichen, und wollte nur es enthielte |2| nicht die traurige Wahrheit, daß wir Sie dies Jahr also wieder nicht sehen, denn Ihr vorjähriger Besuch war ja leider ein so sehr kurzer, daß er für mich gar nicht zählt. Ich begreife übrigens vollkommen die Gründe, die Sie zu Hause halten, nur wünschte ich Ihnen den schönen großen Garten an einem anderen Flecke, als in Hannover. Ich kann mir denken, wie angenehm Ihnen Bronsart’s sein müssen! Mad. Bronsart kenne ich nicht, ihn aber |3| habe ich gern, er hat etwas feines, gebildetes. Hoffentlich genießen Sie nun endlich ’mal etwas Ruhe zu Haus, was nach dem traurigen Erlebniß doppelt erquickend auf Sie wirken wird. Ihrer lieben Frau Unwohlseyn ist doch wohl nicht Besorgniß erregend? es bleiben eben die vielen kleinen Leiden in der Zeit nie aus, und sind <dann> wie mit einem Zauberschlage Alle vergessen wenn dann so ein kleines Wesen da ist! – Könnte ich doch Ihre Kinder |4| ’mal sehen! für die Ihrigen interressiere ich mich mehr, als jemals für Andere. Sie hatten uns schon längst das Bildchen von ihnen zusammen versprochen, sowie auch das, wo Puzzi so recht trutzig da steht. Wollen Sie uns nicht ’mal damit erfreuen? Wie sehr haben mich Ihre Nachrichten Alle interressiert, wie leid thut mir die arme Königin, und wie mag es sie gefreut haben, daß Sie sie besucht haben! den König aber sahen Sie nicht in Wien? ich weiß gar nichts von seinen Thaten, bin eine gar schlechte Politikerin. |5| Von hier giebt es eigentlich besonders Interressantes wenig zu melden. Es sind eine Menge Bekannte von mir hier, jedoch mir besonders liebe Menschen außer Frl. Leser Niemand. Mit Dieser aber, und einer jungen Freundin zuweilen im Hause, (bis heute Julie Asten, die nächste Zeit Betty Oser aus Wien, dann im Septbr. Friedchen) <leben> leben wir ein sehr gemüthliches Leben, gehen viel in die Wälder, und werden wohl nächstens auch ’mal eine 4–5 tägige Tour in den Schwarzwald machen. |6| Das Quartett Becker hat eine Serie von Abenden gegeben (ich habe auch ’mal gespielt) dann war Rubinstein einige Tage hier und einen Abend höchst gemüthlich, wie ich ihn noch nie gesehen, bei uns. Er geht höchst wahrscheinlich im Herbst auf 6 Monate nach Amerika für 25,000 Thl was ich aber für solch ein Opfer lange nicht genug finde. Er spielte einige neue Sachen, Sarabande Passe pied Gigue von sich, und war es mir eine wahre Freude, daß mir ’mal Etwas von ihm gefiel, wenigstens die Sarabande. Levi ist noch nicht von seiner Ferienreise zurück |7| kommt aber nächstens. Wir freuen uns Alle herzlich ihn wieder zu sehen. Johannes schrieb mir so eben, daß er mit seinem Vater eine schöne Reise über den Semmering nach Ischl, Salzburg ect. macht, was mich sehr freut – er hat es sich immer so gewünscht! er wird dann aber wohl nach Wien zurückkehren. Er schreibt mir unter Anderem auch, daß Sie im Nov. mit ihm in Wien, Pesth ect. concertieren wollten, und da bitte ich Sie dann recht dringend, daß Sie mir schreiben, oder schreiben lassen, ob dies wirklich der Fall. |8| Ich hatte nämlich den Entschluß gefaßt von Ende Octbr. bis <Anfang Jan> Weihnachten dorthin zu gehen und hatte dies Johannes mitgetheilt, haben Sie aber wirklich die Absicht, dann gebe ich natürlich meinen Plan auf, wie würde ich mich wohl entschließen mit Hellmesberger in Wien zu musicieren, wenn Sie da wären! – muß dies aber so bald wie möglich wissen, weil ich schon Schritte gethan, und dann doch Anderes in Angriff nehmen muß. Jetzt aber seyen Sie mit Frau und Kindern innigst von mir und Allen hier gegrüßt und halten Sie lieb Ihre
alte treue
Clara Schumann.
P. S. Herr Bargheer ist für einige Zeit hier, ferner Eckert, Saloman (Nissen),
24 Reiter a. Basel.