Baden-Baden d. 8 Septbr. 1867
Fürerst, lieber Stockhausen, schönsten Dank für Ihre Depesche, die mir, wenn auch nicht zu meinem Geburtstag, (denn Dieser war gar nicht) <G> so doch einen zu jeder Zeit willkommenen Gruß brachte, den ich übrigens dennoch als Geburtstaggruß dankend annehme. Daß Ihre liebe Frau krank war, und dadurch Sie Ihren Aufenthalt hier aufgeben mußten, thut mir herzlich leid. Es hätte sich,|2| wie über manches Andere, wohl auch über den geschäftlichen Theil Ihres Briefes besser sprechen lassen. Ich kann nicht unbedingt „Ja“ sagen, weil ich einen anderen Plan gefasst hatte, den ich Ihnen in möglichster Kürze mitzutheilen versuchen will. Ich hatte eigentlich beschlossen, im Nov. und December nach Wien zu gehen, da auf einmal schreibt mir Johannes, daß er mit Joachim zur selben Zeit <doch> dort Concert zu geben gedächte. Natürlich gab ich meinen Plan allso gleich auf, denn ich werde doch keinem Kollegen, und wäre es auch nicht der Freund, der mir Johannes ist, in den Weg treten. Nun hatte ich|3| lange <b> nachgedacht, wo ich mich wohl für 2 Monate festsetzen könnte, um von dort aus an verschiedenen Orten zu spielen, vor allem aber am Orte selbst Concerte zu geben,<Soireen [?]> d. h. Clavier-Solo Soireen. Da kam ich dann auf Hamburg, das denn bei allem Materialismus doch immer ein großes Publikum für Concerte besitzt. Ich muß darauf setzen, wie Sie ja wissen, so viel als möglich zu verdienen, und mehr und mehr, je größer meine Jungen werden, dazu war das Verdienst im vorigen Jahr nicht eben außerordentlich, also heißt es jetzt, wirklich überlegen. Meine Absicht war nun am 18ten Nov: nach Hamburg zu gehen und dort auf 4 – 5 Wochen ohngefähr mich einzumiethen,|4| und drei Soireen auf Abonnement von 8 zu 8, oder 14 – 14 Tagen zu geben, inzwischen Kiel, Lübeck ect: zu besuchen, und schrieb ich Dieserhalb an Avé, ob er, wie er es immer gethan, mir diese Soireen arrangieren wolle? so steht nun jetzt die Sache; Sie wissen recht gut, daß, wenn selbst Concerte nicht brillant, nur gut besucht sind, doch immer mehr eintragen, als Engage- ments wo doch immer das Höchste 25 Friedrichsd’or sind, und, leider, muß ich ja nehmen. Wenn ich nun diese eignen Soireen gebe (ich habe übrigens noch keine Antwort von Avé) so wäre natürlich meine Mitwirkung in Ihren Soireen nicht mehr von dem pecuniären Nutzen, als wenn ich das nicht|5| thue, und weiß ich nicht ob Sie unter diesen Verhältnissen dann noch meine Mitwirkung wünschen. Sie wissen jetzt, wie es steht, und nun urtheilen Sie selbst, und sagen mir recht bald Ihre Meinung. Im Septbr: und October würde ich übrigens keinenfalls nach Hamburg kommen können, weil ich am 3ten Nov: in Basel und am 16ten in Berlin zugesagt habe. – Später, nach Weihnachten werde ich wohl auf 6 Wochen zu Concerten nach Petersburg, und dann noch 6 Wochen nach England gehen. Brahms schrieb mir vor wenig Tagen von Wien – er hat dies’mal seine Reise- Route|6| nach dem Salzkammergut eingeschlagen, und zwar mit seinem Vater, der Alles in vollsten Zügen genossen hat. Diese Zeilen adressiere ich wohl am sichersten nach Colmar, oder doch nach Zürich? Sie schrieben mir keine Adresse. Entschuldigen Sie meine flüchtigen Zeilen, ich bin jetzt aber wirklich gar zu sehr in Anspruch genommen.
Mit den schönsten
Grüßen an Sie Beide
Ihre
alt ergeb
Clara Schumann
P:S: So eben sehe ich Ihre Adresse auf dem Briefe.
