Baden d. 28 Juni 1870.
Lieber, guter Joachim,
die vergangenen Tage brachten mir so Vieles, daß ich abgehalten wurde rechtzeitig meine innigsten Wünsche für Sie abzusenden, aber wir feyern den Tag heute in warmem Gedenken des theueren Freundes, und gäbe es Sympathie, so müßten Sie es fühlen, was aber leider wohl nicht der Fall sein wird. Ob wohl Ihre Lieben noch bei Ihnen sind? ich hoffe es sehr, sonst wäre es doch ein trauriger Tag für Sie! Von uns will ich Ihnen weiter nichts sagen - wie tief bekümmert wir nach Ferdinands Berichten, der den armen Ludwig besucht hat, sind, können Sie sich ja denken. Sie haben es wohl durch Ferd. gehört! Was man in solchen Prüfungszeiten durchlebt und kämpft, ist unbeschreiblich. Über dem Trost, den ich durch die Kinder habe, wie empfinde ich den göttlichen Trost in der Kunst! wie oft habe ich mich in dieser Zeit zu einem Bachbande geflüchtet, wenn die Wehmuth über mich hereinbrach, und immer hat mich der alte Bach erquickt und förmlich gestärkt. Johannes kommt leider nicht - er stand im Begriff abzureisen, da kam ihm ein Anerbieten zur Kapellmeisterstelle an der Gesellschaft der Musikfreunde-Concerten (einstweilen privatim) und ist er jetzt einer officiellen Anfrage gewärtig, da will er denn natürlich nicht fortgehen. Ich rede ihm zu, die Stellung anzunehmen, hat er sich doch lange eine Solche gewünscht. Schöne Mittel zur Disposition, den ganzen Sommer frei, nur 6 Concerte und 2000 Fl. Gehalt. Das ist doch nicht so übel. Musicalisch natürlich bewältigt er eine solche Stellung vollkommen, eine Schwierigkeit für ihn möchte wohl die sein, daß das detaillirte Einstudiren, Schulmeistern, bald langweilig wird, und dann sein Character insofern Schwierigkeiten bietet, als er oft nicht gerade in den Augenblicken, wo es verlangt wird, zur Mittheilsamkeit gestimmt ist, und dies doch unendlich viel Einfluß auf ein Orchester hat. Die Sache ist noch strenges Geheimnis (sagen Sie es ja nicht der Julie Asten) - möge es nur zu Stande kommen - ich habe Angst vor Intriguen, die man sich ja denken kann. Leider sehen wir Sie doch nicht in Salzburg, da ich in hohe Gebirgsluft muß), meine Nerven zu stärken, und deshalb in Moritz wieder meine Zimmer bestellt habe. So gehen unsere Wege recht viel auseinander, woran ich nie ohne Trauer denken kann. - Adieu, lieber theuerer Joachim! Die Kinder senden ihre Glückwünsche – wir wollen heute Abend eine Maiweinbowle <> machen und dann lassen wir Sie Alle, die Kleinen Joachim’s mit, leben!
In alter treuer Freundschaft
Ihre
Clara Sch.
Antworten Sie mir nicht pflichtschuldigst, nur ’mal ein Freundeszeichen geben Sie von Salzburg aus, wenn Sie etwas zum aufathmen kommen.