Baden d. 17 Mai 1873. Lichtenthal 14.
Lieber, verehrter Freund,
Herr Bendemann wird Ihnen schon gesagt haben daß ich Ihre Zeilen erhalten, und gern thuen werde zur Erfüllung Ihres Wunsches, was ich kann. Ich sprach neulich mit Hiller darüber, und Dieser war sehr überrascht, denn er selbst war schon mit diesem Gegenstande zu einer Composition umgegangen. Ich würde rathen daß Sie ihm ’mal den Text schickten, oder auch Max Bruch, der kürzlich aus der Odyssee Scenen mit großem Erfolge aufgeführt. Ich glaube für ihn müßte der Text gut passen. Wollen Sie ihn ihm nicht etwa ’mal schicken? ich sprach ihm neulich schon davon, er war aber so im Rausche des eben genossenen Beifalls in Düsseld. daß wir zu keinem ausführlicherem Gespräche kamen – es war auch bei Tisch, also nicht die dazu passende Gelegenheit. Je mehr ich darüber denke, destomehr scheint er mir der Mann dafür, oder, wie gesagt, auch Hiller, nur daß Letzterer (unter uns gesagt) nicht das Glück hat mit seinen Compositionen. Ich denke ich werde diesen Sommer noch öfter Gelegenheit haben davon mit Musikern zu sprechen. Im Augenblick ist Keiner hier, überhaupt enorme Stille, aber um so herrlicher das frische Grün! –
Die liebe Fanny war so leidend diesen Winter? wie betrübte uns das zu hören! Grüßen Sie auf das herzlichste Frau und Tochter.
Bitte, verbrennen Sie Dieses gleich, schwarz auf weiß sieht Alles so anders aus, als es mündlich Eindruck macht.
In treuer Freundschaft zeichne ich mich
Ihre
warm ergeb.
Clara Schumann
Bruch’s Adresse ist jetzt Bonn – er ist eben dahin gezogen.
Entschuldigen Sie die verschiedene Tinte – ich bekam neue in mein Schreibglaß ohne zu wissen daß es Andere war.
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