Frankfurt a/M. d. 10 Dec. 1889.
Meine gute, liebe Lida,
Sie haben mir zwar verboten an Sie zu schreiben, aber ich kann mich nicht zufrieden geben mit einem indirecten Dankesgruß! –
Die Tage jetzt wieder einmal mit Ihnen haben mich wieder so berührt, daß ich lange daran zehren werde. Ach, Sie wissen nicht, was ich hier entbehre, und wie mir jede Stunde mit Ihnen ein Gewinn ist. Auch künstlerisch fühle ich mich immer gehoben durch Ihren lieben Mann in seinem unermüdlichen Schaffen, und durch die liebevolle Theilnahme an meinen kleinen künstlerischen Gaben – sie erfreut mich so recht im Innersten. Ich fand hier wieder Vieles vor, ach, und heute Morgen gab es schon einen harten Kampf mit Eugenie, der sich heute Abend mit meinem Schwiegersohn wiederholen wird, und mich den ganzen Tag nervös macht. Eugenie sieht übrigens doch manche Vortheile, wenn wir die Kinder in Schneeberg lassen, ein, und ist den ganzen Tag sehr nett gegen mich trotz unseres Disputes gewesen. [ich sage Ihnen dies, damit Sie nicht glauben, es sey mehr als ein Disput gewesen.] Ich möchte, ich hätte etwas von der Klarheit und Sicherheit, mit der Sie alle Verhältnisse betrachten. Sie stehen Allem so fest entgegen, ich erliege immer der Wehmuth.
Noch etwas liegt mir auf dem Herzen, liebste Lida. Sagen Sie doch der Leser, daß sie Maria in der Kälte nicht ausgehen läßt – es war ein Unsinn, daß sie gestern auf den Bahnhof kam; Sie sah schrecklich elend aus, und mußten wir Beide denken, wie entsetzlich, wenn sie stürbe. Sie ist ja so zart, müßte furchtbar geschont werden. Wenn Eine a. d. Bahnhof mußte, warum nicht Elise?
Ich hoffe der liebe Mann hat sich bei dem scharfen Wind nicht geschadet? wie freute ich mich über seine Heiterkeit und sein Wohlbefinden, und seine Schaffenskraft!
Tausend Grüße Ihnen Beiden von uns Beiden mit dankbarstem Herzen
Ihre alte Clara.
D. 11
Ich ließ dies noch liegen um Ihnen das Resultat mit den Sommerhoffs mitzutheilen, da kommt inliegender Brief von Henne, aus dem ich nun ganz u. gar nicht klug werde, da er zuvor nie etwas v. d. Realklasse erwähnt hat. Früher sagte er mir, die Realschule gehe ein, und sey in das Gymnas. verwandelt, jetzt schreibt er nun so daß ich ja all die Sorgen gar nicht nöthig gehabt hätte. Was soll ich nur denken davon? bitte lesen Sie ihn ’mal zusammen, und sagen Sie mir Ihre Meinung. Ich dachte ich wollte an einen Schullehrer in Leipzig, den ich gut kenne, schreiben, und Aufschluß erbitten, natürlich sofort an Henne selbst.
Bitte schicken Sie mir den Brief gleich zurück.
Verzeihen Sie die Beunruhigung. Ach; so eine arme Frau ist ja übel daran bei solchen Lebensfragen.
Bitte um Entschuldigung f. d. verkehrten Bogen.
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