Düsseldorf, d. 16. März 1853.
Geehrter Herr!
Haben Sie Dank für Ihre Sendung, doppelten und dreifachen, nachdem ich sie genauer durchforscht. Es gehört zu den grössten Freuden, auf so hohe Bestrebungen zu treffen, wie Sie [sic] das De profundis zeigt. Von aller neuen geistlichen Musik, die ich kenne, wüsste ich nichts, was diesem zu vergleichen wäre; es scheint mir ein ganz ausgezeichnetes Meisterwerk in jeder Beziehung. Abgesehen von der hohen Kunst des Tonsatzes, die der Psalm überall offenbart, wie man ihn nur in S. Bach begegnet, von der meisterhaften und eigenthümlichen Stimmführung, von allen Vorzügen, die den musikalischen Meister bezeichnen, ist es vor Allem der tief religiöse Charakter, der aus dem Psalm uns in erhebendster Weise anspricht. Die ganze Kraft eines gläubigen Gemüths spricht auf das Ueberzeugendste zu uns. Ich meine, die Wirkung des Psalmes müsse eine grossartige und tiefe sein. Hätte ich ihn einige Zeit früher gehabt, vielleicht wäre es mir möglich gewesen, ihn zum nächsten Rheinischen Musikfest zur Aufführung zu bringen. Aber das Programm ist schon festgestellt und jetzt nicht mehr zu ändern. Nun ist es an Ihrer Residenz, das Werk in würdiger Weise aufzuführen. Alle Kräfte sind dort vorhanden. Es wäre eine Schande, wenn auch diesmal der Prophet seinen Ruhm erst aus der Fremde holen müsste. Sie müssen Alles dazu in Bewegung setzen. Haben Sie denn nochmals Dank für die Übersendung des Psalms, der mir ohne dies vielleicht länger unbekannt geblieben wäre. Der Künstler, der es geschaffen, ist der Höhe seiner Musik nach, ein zu festgegründeter Geist, als dass ihm das Urtheil der Welt etwas anhaben könnte. Glauben Sie aber, dass ihm die Versicherung der tiefsten Theilnahme eines Kunstgenossen an seinem Streben Freude bereite, so versichern Sie ihn das von mir.
Vielleicht ist es mir möglich, den Psalm im nächsten Winter, so weit es unsre Mittel erlauben, hier zur Aufführung zu bringen. Auch in Leipzig habe ich eine Aufführung angeregt. Existirt auch ein Clavierauszug und gedruckte Chorstimmen? Hr. Schlesinger sollte dies im Interesse des Werkes nicht verabsäumen.
Mit Journalredactionen stehe ich im Augenblicke in keiner Verbindung, in diesem Sinne vermag ich nichts zu thun, aber als praktischer Musiker gern Alles. Machen Sie dem Componisten noch mein Compliment für die vierfachen Pauken und Trompeten, so wie für die köstliche Behandlung der Bratschen. Einige kleine Incorrectheiten habe ich bemerkt, die auf dem beiliegenden Blatte stehen; das Werk ist übrigens äusserst genau corrigirt. Manches möchte ich noch schreiben, aber es rufen mich Geschäfte.
Ihr ergebener
Robert Schumann.
Sr. Wohlgeboren
Herrn Musik-Director H. Krigar in Berlin, Marienstrasse No. 22.
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