München, den 16t Sept 1889.
Liebe Clara,
Du wirst diesem Nachzügler der vorangegangenen Huldigungen zu Deinem Geburtstag, Dein Herz hoffentlich nicht verschließen. Ich habe Dir kein Geschenk zu geben, was Werth für Dich haben könnte – auch nicht einmal einen Glückwunsch will ich sagen, denn jedenfalls wurdest |2| Du mit diesen schon überschüttet – und was sagen sie im Grunde! was für eine Kraft der Erfüllung kann man ihnen beimeßen? Ich will Dir nur von Neuem und immer wieder, u bei dieser Gelegenheit ganz besonders versichern, wie innig ich Dich liebe, Dich verehre u Dir sagen, daß ein Bißchen Liebe von Dir, mich mehr erfreut als Alles was mir Andere nur irgend geben können. Daß Du, wenn Du hierher kommst, wünschest mich ein halbes Stündchen zu sehen, ist mir stets ein Beweis, daß ich dir doch auch etwas bin! denn bei der großen Auswahl |3| von Menschen, die Dir zu Gebote stehen, die auf einen Wink zu Dir eilen, kann der, welchen Du zu sehen wünschest, sich schon Deiner Sympathie versichert halten. Leider mußte ich dieses Jahr auf diese Freude verzichten. Der nächste Sommer wird dich hoffentlich wieder zu uns führen! Daß Du die Tage in Reutlingen in Gedanken bei uns warst und in der Erinnerung an unseren theuern Vater, seinen hundertjährigen Geburtstag mitfeiertest, ist mir durch eine Mittheilung Emilien’s bekannt.
Lebe wohl.
Mit treuer Liebe u alter Freundschaft
Deine
Lina.
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