Baden-Baden d. 21 Septbr 90
Liebe Mathilde,
hätte ich gekonnt, wie ich wollte, Sie hätten längst meinen Dank für Ihre lieben Geburtstagszeilen, sowie für das reizende Kissen erhalten, aber es kam mir in den Tagen so vieles, dazu drei Tage lang eine Attaque von förmlicher Neuralgie im Kreuze, so daß ich kaum einen Schritt gehen konnte. Nun aber, will ich heute Baden nicht verlassen, ohne Ihnen und Ihrer lieben Freundin für alle Liebe so recht von Herzen gedankt zu haben. Die Tasche (Kissen) werden Sie mir wohl erlauben als Arbeitstasche (für meine Häkelei) zu benutzen – sie ist gerade das, was ich mir zu dem Zwecke gewünscht hatte, und viel zu schade, den Kopf darauf zu legen. Sie haben meine Schuld wohl erhalten?
Himmlisches Wetter hatten wir am 13ten und all die Tage bis heute, nun muß ich aber fort, heute nach Bonn, um ’mal das theuere Grab wieder zu sehen, morgen nach Düsseldorf zu meine [sic] beiden alten Freundinnen. Am 26ten reisen wir, wills Gott zurück – Marie ist schon zu Haus seit 3 Tagen. Eug. kam zum 13ten, u. bleibt mit mir. Sonst habe ich Ihnen keine weiteren Erlebnisse zu erzählen, als daß die Correspondenz (die recht unerquickliche) mit meinem Sohn fortdauert. Wir haben, (auf Ihr Anrathen ganz besonders) den Entschluß gefaßt, eine Petition an den Kaiser für einen (oder zwei, wenn das angeht) Jungen meines Sohnes, einzureichen für das Cadettenhaus. Wüßte ich nur recht, wie man das abfaßt, an Wen einschickt, und ob man wohl für 2 bitten kann? Sie könnten dies vielleicht durch Jemanden Ihrer Bekanntschaft in Berlin erfahren? ich muß solche Schritte thuen, denn ich weiß die Sache sonst nicht zu ermachen, ich müßte denn mein Haus verkaufen, und mich klein behelfen, das wollen aber meine Kinder durchaus nicht, und, es wäre mir ja auch sehr hart, so kurz vor meinem Ende noch aus dem Hause zu müssen, das uns an’s Herz gewachsen ist.
Bitte, sagen Sie Julchen Dank für ihren Brief – sie hat sich, unter uns gesagt, krampfhaft angestrengt liebenswürdig und kunstenthusiastisch zu scheinen. Nun, der Wille ist ja schon gut, und ich schreibe ihr gewiß, sobald ich die aller nöthigste Correspondenz erledigt habe. Ich hatte zum 13ten 112 Zuschrifften, eine große Freude, aber auch viele Verpflichtungen. Wird mir die liebe Freundin verzeihen, wenn ich ihr meinen Dank durch Sie aussprechen lasse? thuen Sie es so herzlich wie möglich.
Wie froh bin ich, daß Sie wieder ganz wohl sind, hoffentlich benutzen Sie die schönen Tage auch in Berlin noch, so viel es dort möglich ist.
Und nun, leben Sie wohl! entschuldigen sie [sic] die entsetzliche Tinte, die ich habe, und bleiben Sie gut, liebe Mathilde
Ihrer
herzlich ergb
Clara Schumann.
Eugenie grüßt Sie freundlichst Beide! –