23.01.2024

Briefe



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ID: 26700
Geschrieben am: Sonntag 24.12.1843
 

Dresden d. 24/Dec. 1843
Meine liebe Elise,
nimm unseren freundlichen Dank für die Besorgung des Berichtes von Reuter, die uns um so mehr lieb war, als in demselben Blatt der Allge Zeitung einige geringschätzende Zeilen von Dr. Laube standen, die höchst verletzend waren, als er geradezu die Unwahrheit gesagt. Es hat sich seit Jahren kein Werk eines so enthusiastischen Beifalls zu erfreuen gehabt, als gerade dieses; in der zweiten Aufführung, die auf allgemeines Verlangen 8 Tage nach der ersten statt fand, empfing meinen Mann ein wundervoller Lorbeerkranz am Dirigirpult, mit gröstem Beifall wurde er empfangen und nach jedem Theile hervorgerufen. Gestern hat er es in Folge einer Einladung vom hiesigen Intendanten im Hoftheater ┌hier┐ unter gröstem Beifall aufgeführt – ist es nun nicht abscheulich von so einem musikalischen Ochsen (dafür ist Laube unter allen Musikern bekannt, und in vielen Blättern <des> schon deshalb lächerlich gemacht worden) so schändlich zu lügen? Warum? |2| weil er ein abgesagter Feind aller Musik ist, weil er nicht ertragen kann, daß Mendelssohns Musik (auf M. raisonnirt er fürchterlich) meines Mannes Musik ect. mehr Glück in Leipzig gemacht hat, als sein Monaldeski. Hast Du einmal Gelegenheit die Herren von der allg Zeitung über diesen Gegenstand zu sprechen, so kannst Du sie einigermaßen über Laube’s Standpunkt in der musikalischen Welt aufklären. Nun genug davon! –
Daß es Dir so wohl in Deinem elterlichen Hause geht, freut mich unendlich, und daß Du ohne Schmerz einer Laufbahn entsagen konntest, die doch eine lange Zeit Deine ganze Seele beschäfftigte. Wie glücklich wird Deine Mutter sein, daß sie Dich nun wieder hat, und auch Emilie bald wieder sieht! das freut mich wirklich innig, Deine Mutter hat lange dieses Glück entbehrt. Daß Du aber das Künstlerleben von so erbärmlicher Seite schilderst, ist nicht recht, es fragt sich immer, wie man als Künstler lebt; glaube |3| mir, es muß nicht jeder Künstler durch die öffentliche Ausübung seiner Kunst seinen moralischen Werth verlieren! das wäre ja traurig! ich kenne Deinen moralischen Werth, Deinen schönen Character, Alles, doch meine ich, zu gut ist kein Künstler der seine Kunst wie ein ächter Künstler mit Leib und Seele treibt. <,>
Unsere Reise wird wohl vor sich gehen, doch ist es noch möglich, daß wir nach Holland gehen, es ist noch nicht entschieden. Gleichzeitig mit diesen Zeilen geht auch ein Brief an Emilie, der ich recht lange Zeit, doch ohne mein Verschulden, Nachricht schuldig blieb.
Grüße Deine Lieben, habe nochmals Dank, und glaube, daß Niemand mehr Freude empfinden kann, daß es Dir so wohl geht als Deine
aufrichtig ergebene
Clara.
Robert grüßt freundlichst.
|4| Fräulein
Elise List.
Abzugeben bei dem Herrn
Dr. F. List
in
Augsburg
Fr.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Dresden
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: Augsburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
189-192

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 19a/b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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