Coblenz d. 15ten Oct. 1869.
Meine liebe Emilie,
tagtäglich habe ich daran gedacht Dir zu schreiben aber es kam gar so Vieles an mich und heute kann ich Dir leider nicht ’mal selbst schreiben, da ich mich an der Hand verletzt habe, woran ich seit 8 Tagen laborire, weder spielen noch schreiben kann.
Dein gestriger Brief hat mich sehr bestürzt. Daß Ihr nun doch das Schwere unternommen habt die arme Elise selbst zu pflegen. Ich fürchte sehr es wird so aufreibend für Euch sein, daß Ihr es nicht aushaltet.
|2| Daß Ihr den Hochzeittag nicht gewußt hat mich sehr erstaunt, denn zu mehreren Malen sprach ich mit Julie, die es Euch schreiben wollte, zugleich dankend für die reizenden Geschenke. Ich sehe jetzt, daß sie es nicht gethan hat u. das thut mir sehr leid.
Zu einiger Rechtfertigung ihrer muß ich Dir sagen, daß Marmorito plötzlich kam, da erst der Hochzeittag festgesetzt wurde, und aber Julie so in Liebe aufging, daß sie nichts mehr hörte u. sah als ihn. Sie nahm sogar einen weit leichteren Abschied von uns, als ich je für möglich gehalten hätte. – Jetzt ist sie nun dort in die ganz neuen Verhältnisse gekommen und |3| ich glaube es wird noch eine geraume Zeit vergehen ehe sie dazu kommt für all die Freundlichkeiten, die sie in dieser Zeit erfahren, zu danken. Ihre Nachrichten sind sehr gut, Sie war von den Verwandten sehr liebevoll aufgenommen u. hat es nun nur mit der Schwiegermutter zu thun, deren Liebe sie sich wohl nach u. nach erwerben wird. Ihr Mann scheint sie auf Händen zu tragen u. uns Allen hat er das Vertrauen eingeflößt, daß er Alles thun werde Julie glücklich zu machen. – Der Himmel gebe, daß sie dies immer erkennt, und der sonst unzufriedene Character ganz verschwinde, wo sie nun ja das gefunden was ihr Leben ausfüllen soll. – Sie hatte |4| mehrmals zu mir gesagt, sie wolle auch Elisen schreiben, sie war aber eben in der ganzen Zeit unzurechnungsfähig.
Ich sollte nun meinen Winterzug beginnen, bin aber durch die Hand so gehemmt, daß ich schon ein Engagement aufgeben mußte. Jetzt gehe ich nach Düsseldorf und will es dort abwarten. Das ist wieder einmal eine Geduldsprobe. – Meine Adresse ist von nun an immer Düsseldorf u. ich bitte Dich gieb mir nächstens ’mal wieder Nachricht wie es mit Elisen geht. –
Ich denke Eurer oft u. in innigster Theilnahme. Das glaube nur immer, meine theure Emilie, wenn ich auch nicht schreibe.
In alter treuer Liebe
Deine Clara.
Marie grüßt herzlich. –
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